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Science Slam Odenwald #4: Schäume, Schwarzbrot, Schweine-Rettung

„Bei den vergangenen drei Science-Slams im Odenwald waren Schweiß, Schweinebraten und ein Hundebeschleuniger die Themen. Daran können Sie sehen, auf was Sie sich hier einlassen!“, warnte bei seinen Begrüßungsworten zur vierten Auflage dieses wissenschaftlich-witzigen Schlagabtauschs der gut gelaunte Kreistagsvorsitzende Rüdiger Holschuh das Publikum. Alle Altersklassen füllten den Club Unterholz am Freitag (12. April) bis auf den letzten Platz, um dem von Raquel Jarillo von der Odenwald-Akademie und der gastgebenden Eventfirma Peripherique organisierten verbalen Gefecht aus Forschung und Lehre zu lauschen.

Fünf Kombattanten waren angetreten, um ihre komplexen Themen dem Publikum jeweils binnen zehn Minuten zu präsentieren. Dabei waren didaktische Reduktion, Esprit in der Präsentation und fundierte Tiefe gleichermaßen gefordert. Schließlich sollten ja Laien die Beiträge verstehen und etwas lernen können.  Alexander Deppert aus Darmstadt war die kurzweilige Moderation hervorragend gelungen, denn der promovierte Psychologe und Lyriker ist Erfinder dieses Formates. Mit seinen sprachspielerischen Gedichten füllte er denn auch die Pause des zweistündigen Wettstreits. Wer war dabei?

Der 79-jährige Ingenieur Kai Brudermann aus Hemsbach erläuterte ein Modell zum Funktionieren von Sprache, indem er deren Grundvoraussetzungen auf den Puls fühlte und diese anschaulich an einer Holzkonstruktion darlegte. Dabei ersetzten zwei lange und zwei kurze Pendel den Sender und den Empfänger einer Nachricht. Sein Parforce-Ritt zwischen Linguistik, Psychologie und Physik erklärte, wie eine sprachliche Äußerung durch Zeichen zur  Kommunikation wird. „Verstehen ist Resonanz, Resonanz bedeutet Mitschwingen. Mitschwingen geht auf der gleichen Wellenlänge. Auf der gleichen Wellenlänge versteht man sich.“ Eine beachtliche Leistung.

Humorvoll und bestens bühnentauglich gab dann der in Ernsbach wohnende Patentingenieur Thomas Tollheimer  reichlich Würze in seine Ausführungen zum Patentwesen. Die Beispiele traten wahre Lachlawinen im Publikum los: Da gibt es neben dem berühmten Fischer-Dübel noch die Weißwurst mit Senfkern, die ein Kleckern vermeiden soll, die in USA angemeldete Mausefalle, bei welcher der unliebsame Nager mit einem Revolver aus dem Leben geschossen wird, oder Konrad Adenauers Rezept für Schwarzbrot. Alles real angemeldete Patente oder Gebrauchsmuster. Tollheimer war schwer zu toppen und zu stoppen.

„Wer hat gerne kalte Füße?“, fragte zu Beginn ihres Beitrags mit dem Titel „Wärmewiderstand überwinden“ Anastasia August aus Karlsruhe, Metallwissenschaftlerin und amtierende Vizemeisterin der deutschsprachigen Slams. Mit ihren Ausführungen über mit Paraffin gefüllte offenporige Metallschäume, die wie überdimensionale Schwämme aussehen und aufgrund der großen Oberfläche und den spezifischen Eigenschaften des Paraffins überschüssige Wärme aufnehmen, speichern und bei Kälte eben als Wärme auch wieder abgeben können, überzeugte sie mittels rhetorischem Geschick und unvergleichlichem Charme die Gäste.

Kurz vor ihr gefiel in englischer Sprache der amtierende deutsche Meister Aniruddha Dutta aus Kalkutta, der am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf arbeitet. Der junge Metallphysiker forscht über die Möglichkeiten, wie man Stahl leichter machen kann und demonstrierte die Möglichkeiten praxisnah an mit Creme gefüllten Doppelkeksen eines bekannten Herstellers.

Als Sprachrohr der Vegetarier glänzte der Privatdozent Marc-Denis Weitze aus München, der anhand seines Referats ungefähr 60 Millionen Schweine und 638 Millionen Hühner jährlich in Deutschland vor dem Tod bewahren könnte, wenn denn in der Petri-Schale künstlich gezüchtetes Fleisch ohne Chemie auskommen würde, weniger teuer sei und vom Konsumenten angenommen werden würde. Soweit sei man aber noch lange nicht. „Noch macht kein Huhn einen Freudensprung!“ Ein kompetenter Vortag, doch aufgrund des Ernstes der Sache musste der die Abstimmung mitgestaltende Spaßfaktor leiden.

War es deren Charme, war es die rhetorische und fachliche Finesse oder auch ein wenig die ihr entgegengebrachte Sympathie? Anastasia August durfte als Siegerin den Club verlassen und damit den ersten Preis mit nach Hause nehmen. Dieser wurde ihr in Gestalt eines Affen mit Brille von Wilfried Schulz, dem Leiter des Beruflichen Schulzentrums Odenwaldkreis, und Darwin Becker übergeben, der das die Intelligenz symbolisierende Wesen aus einer Tagua-Nuss eigens für diesen Zweck geschnitzt hatte. Becker besucht im dritten Ausbildungsjahr die Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk. Alle anderen Teilnehmer erhielten vom Kreistagsvorsitzenden Rüdiger Holschuh als Anerkennung die Anthologie „Vom Ruurestoe zum zum Grafehaus“ des Krimischreibwettbewerbs 2017 des Odenwaldkreises. (Text: Michael Lang)