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Mit „Odenwälder Gäulschen“ zum Sieg – 1. Odenwald-Slam Craft & Arts

Weshalb trotz oder gerade losgelöst von der raschen fortschreitenden Digitalisierung in der Wirtschaft gestandene Handwerksberufe Konjunktur haben und sich nicht um ihre Zukunft Sorgen machen müssen, zeichnete sich am Freitag (22. September) beim ersten Odenwald-Slam „Craft & Art“ ab. Dabei handelte es sich um eine Weiterentwicklung des erfolgreichen Formats „Science Slam Odenwald“, welches in Regie der Odenwald-Akademie seit bald zehn Jahren angeboten wird. Zum Auftakt dieses neuen Talk-Formats waren rund 150 Besucher in das Volksbank Atrium in Erbach gekommen. Die Veranstaltung unter dem Glasdach bildete den krönenden Abschluss des ersten Messetags der dreitägigen Odenwälder Handwerkstage, die an diesem Wochenende von der Kreishandwerkerschaft Odenwaldkreis ausgerichtet wurde.

Bei den Vorbereitungen stand Raquel Jarillo von der Odenwald-Akademie vor der großen Herausforderung, Handwerkerinnen und Handwerker davon zu überzeugen, ihre Geschichte auf der Bühne zu präsentieren. Meist empfinden sie ihre Arbeit und die damit verbundene Geschichte nicht als besonders. Jarillos Wunsch lautet daher „Handwerk zeig dich!“

Für ihre Leidenschaft am Handwerk oder am Kunsthandwerk konnten schließlich sieben erfahrene Vertreter ihrer Zunft für den Bühnenauftritt gefunden und überzeugt werden. Moderator Dr. Alex Dreppec räumte, streng nach den Regeln des Slams, jedem zehn Minuten ein, um seine/ihre Geschichte zum Besten zu geben. Zu Beginn begrüßte Rüdiger Holschuh in seiner Funktion als Vorsitzender des Fördervereins der Odenwald-Akademie die erschienenen Gäste und dankte den verantwortlich Mitwirkenden der Kreishandwerkerschaft für die hervorragende Vorbereitung und Zusammenarbeit.

Mit „Craft & Art“ werde nicht nur im Odenwald eine Neuheit präsentiert, so Moderator Dreppec, sondern seines Wissens nach handelte es sich gar um ein Art Weltpremiere, Handwerk nach dem Regeln des Slams einem Publikum zu präsentieren. Kreativ und fantasievoll aufbereitet waren alle Vorträge, so dass es bis zum Schluss spannend blieb. Wer hat am überzeugendsten dargestellt, wie sein Handwerk Traditionen bewahrt und gleichzeitig auf die Zukunft vorbereitet? Wem ist es überzeugend gelungen darzustellen, dass Handwerk und Kunsthandwerk innovativ und spannend sind, mit Vorurteilen aufzuräumen und Wertschätzung einzufordern? So eng beieinander lagen die akustischen Zustimmungswerte, so dass aus den beiden getrennt voneinander vorgenommenen Vorrunden drei Kandidaten in die Endauswahl berufen wurden. Den Schallpegel am kräftigsten zum Ausschlag brachte schließlich der Vortrag der 35 Jahre alten Drechsler- und Tischlergesellin Anna Hübler aus Oberzent/Hesselbach. Die junge Frau kommentierte mit einer sympathischen Leichtigkeit und viel Humor die per Video eingespielten zehn Arbeitsschritte zur Herstellung eines Odenwälder Gäulschens, so wie es seit Generationen in der Werkstatt der Odenwälder Gäulschesmacher Krämer in Reichelsheim-Beerfurth Tradition ist.

v.l.n.r. Peter Hermans, Helmut Gräber, Dr. Alex Dreppec, David Börner, Laura Romina De Luca, Roland Scholz, Harald Boos, Markus Lukschanderl, Rüdiger Holschuh, Raquel Jarillo, Anna Hübler (Foto: Manfred Giebenhain im Auftrag der Kreisverwaltung)

Ebenfalls ihre Frau steht Laura Romina de Luca von der Schmuckschnitzerei in Michelstadt. Sie verstand es überzeugend zu vermitteln, was „8 Jahre in 8 Bildern“ so alles aussagen können. 2019 schloss sie ihr erste Ausbildung zur Elfenbeinschnitzerin ab; heute ist sie als selbständige Unternehmerin international gefragt auf dem Gebiet Reenactment mit dem Schwerpunkt römischer Replikate. Den Schritt in die Selbstständigkeit wagte sie mit der Herstellung von Unikatschmuck. 2020 legte sie ihre Meisterprüfung ab und begann damit, Museumsreplikate anzufertigen.

Und als Dritter in die engere Auswahl in der Publikumsgunst schaffte es der in Beerfelden aufgewachsene Konstruktionsleiter Roland Scholz aus Lützelbach mit seiner Vorstellung „Handwerk unter Volldampf – die Schellekattel“. Gemeint ist damit die legendäre Lok, die die Waggons auf der Bahnstrecke Hetzbach nach Beerfelden zwischen 1904 und 1964 (davon die letzten zehn Jahre nur noch im Güterverkehr) zog. Er stellte nicht nur dieses, wie er es bezeichnete, „lebenslange Projekt“ einer nachgebauten Lok der Gattung T 3 der Preußischen Staatseisenbahnen im Maßstab 1:11 im Detail vor, sondern spielte dazu auch noch auf einer Drehorgel die Melodie „Wer will fleißige Handwerker sehen“.

Auch David Börner startete mit einer Ausbildung in der Elfenbeinschnitzkunst. Sein Knowhow zum 3D-Artist und Produktgestalter hat er am Lern- und Forschungszentrum Odenwald (LeFoO) des Beruflichen Schulzenrums Odenwaldkreis in Michelstadt weiterentwickelt. Alles von Hand dagegen fertigt Paul Hermans aus Lindenfels in seiner eigenen Kunstglaserei an. Dem Publikum demonstrierte er anschaulich, wie es selbst kunstvolle Verglasungen an Türen und Fenstern anbringen kann.

„Manchmal hilft nur Schokolade – von der Bohne zum Nikolaus“ lautete der Bewerberbeitrag von Helmut Gräber von dem in Reichelsheim/Beerfurth ansässigen Familienunternehmen W. Eberhardt Back- und Schokoladenfabrik, das er in dritter Generation führt. Das Publikum durfte nicht nur mitgebrachte Kakaobohnen in Augenschein nehmen, sondern sich auch geschmacklich ein eigenes Bild davon machen.

Mit seinem Kurzvideobeitrag „Lieber sägen als hacken! Warum Sie Ihr Holz nicht verbrennen sollten“ stellte Markus Lukschaderl von der Brombachtaler Sägerei Grieser unter Beweis, wie vielseitig Holz als Rohstoff für kreative Lösungen geeignet ist.

Der letzte und nicht minder starke Beifall galt der Veranstaltung selbst. Unmissverständlich erklang dieser als Antwort auf die Frage Holschuhs, ob das Slam-Format „Craft & Art“ im nächsten Jahr fortgesetzt werden soll.

Die Veranstaltung wurde durch den Kultursommer Südhessen e. V. und der Kreishandwerkerschaft Odenwaldkreis unterstützt.