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Unterhaltsam und nachdenklich: Science Slam Odenwald 2022

Die Gesetze der Physik gelten überall – nur nicht in Hollywood. Distanzen werden spielend leicht überwunden, die Wucht von Zusammenstößen wird übertrieben und der menschliche Körper hält unermessliche Kräfte aus, die an ihm zerren. Alles kein Problem für die Macher von „Fluch der Karibik“, „Ice Age“ und „Spiderman“. Es macht Spaß, sich beim Science Slam Odenwald die vom Frankfurter Physiker Sascha Vogel ausgewählten Sequenzen einmal mit seinem Blick anzuschauen. Vogel hat die passenden Formeln parat und schildert unterhaltsam, dass nicht sein kann, was die Filme zeigen, und weckt so das Interesse für physikalische Prinzipien.

Rund 150 Zuschauerinnen und Zuschauer waren am Sonntagabend (3. Juli) auf den ehemaligen Ponyhof nach Michelstadt gekommen, um sechs Slammern zuzuhören. Am Ende hatte Sascha Vogel für seinen Vortrag den meisten Applaus bekommen und gewann den ersten Preis, eine eigens gestaltete Figur der Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk am Beruflichen Schulzentrum Odenwaldkreis (BSO).

Veranstaltet wird der Science Slam Odenwald von der Odenwald-Akademie. Dass das BSO den Preis stiftet und er in der Berufsfachschule gestaltet wird, hat schon Tradition. Genauso wie die fundierte und gleichermaßen kurzweilige Wissenschafts-Show selbst. So kann Rüdiger Holschuh, Vorsitzender des Akademie-Fördervereins, zu Beginn die Gäste bereits zum siebten Science Slam Odenwald begrüßen, „ohne dass wir wegen Corona eine Pause machen mussten“. Auch dank der Tatsache, dass der Slam nun schon zum zweiten Mal im Freien stattfand. Dieses Mal zusammen mit Sound of the Forest. „Wir freuen uns, dass wieder viele Menschen gekommen sind, um zu hören, was junge Wissenschaftler beschäftigt“, sagt Raquel Jarillo von der Odenwald-Akademie, kurz bevor es losgeht. „Genau das möchten wir: Lust auf Wissenschaft machen.“

Das Universum ist schön und wartet darauf entdeckt zu werden.

Thorsten Conrad, Slammer

Das gelingt an diesem vom Science-Slam-Erfinder Alex Dreppec souverän moderierten und musikalisch von Hans Schroll geprägten Abend perfekt, zumal unterschiedliche Disziplinen vertreten sind. Thorsten Conrad, der zweite Physik-Slammer, macht den Auftakt und spricht über die (Un-)Möglichkeit weiterer Zivilisationen im Weltall. Ob es woanders Leben gebe oder nicht, Conrads Fazit ist: „Das Universum ist sehr schön und wartet darauf entdeckt zu werden.“

Der Altenpfleger Uli Pflug wirft einen nachdenklich-kritischen Blick auf den „Gesundheitszustand“ Deutschlands, dessen Bürgerinnen und Bürger immer mehr Lasten trügen. Pflug mahnt dringend Reformen an.

Neurodegenerative Erkrankungen und Mittel, sich geistig fit zu halten (zum Beispiel Jonglieren), stehen im Mittelpunkt des Vortrags von Wiebke Schick; die Neurowissenschaftlerin wurde am Ende die Zweitplatzierte des Abends. Ihr anschaulichstes Beispiel für die Formbarkeit des Gehirns sind Taxifahrer in London: Sie müssen sich alle Straßennamen und Sehenswürdigkeiten merken. Es lasse sich nachweisen, dass sich durch das Auswendiglernen das entsprechende Hirnareal positiv verändere, so Schick.

Wie bunt im Mittelalter das Treiben auf Friedhöfen war, berichtet Fabian Oberfahrenhorst. Auch wenn es auf heutigen Friedhöfen nicht vorstellbar sei, dass dort gegessen, gefeiert oder Gericht gehalten werde, habe das Mittelalter doch eine Lehre für uns, resümiert der Historiker: „Wir sollten den Tod nicht verdrängen, keiner von uns will alleine sterben.“

Die gekonnte Mischung aus lebendiger Darbietung und ernster Botschaft zeichnet auch den Vortag von Gerrit Lungershausen aus, der für seine Dissertation 188 Romane aus der NS-Zeit über den Ersten Weltkrieg untersuchte. Der Literaturwissenschaftler gewährt Einblicke in die Sprache jener Werke, die „soldatische Werte“ hochhielten, und sagt, „dass 20 Prozent der Leser jener Romane Kinder waren“. Das macht das Publikum genauso nachdenklich wie seine Bemerkung, dass der Krieg in der Ukraine in russischen Kriegsromanen der letzten zehn Jahre quasi vorgezeichnet gewesen sei.

 

Am Ende hat Sascha Vogel in der Publikumsgunst die Nase vorn. Gemeinsam mit Rüdiger Holschuh und BSO-Schulleiter Wilfried Schulz überreicht Louis Corrigan dem Physiker den Preis: eine kleine, phantasievolle Figur aus einem Knochen mit einem Bernstein. Corrigan ist im dritten Lehrjahr an der Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk und hat das Unikat gemeinsam mit seiner Mitschülerin Elisabetta Feher geschaffen. Einen witzigen Namen hat die Figur im Publikum auch schon bekommen: „Science Heinz“. An diesem Abend sind nicht nur die Slammer einfallsreich.